Grundlagen der Digitalisierung

Prof. Dr. Wolfgang Mühl-Benninghaus

Bytes statt Atome –  Einführung in die digitale Infrastruktur

Die analoge Informationsverbreitung basiert auf der Verbreitung physischer Atome. Analoge Signale sind stufenlos und liefern theoretisch unendlich genaue Informationen. Analoge Daten bewegen sich auf der Zeitachse als Sinuskurve, die mit zunehmender Länge immer mehr schwindet, wenn sie nicht erneut verstärkt wird. Auch analoge Produkte sind nur begrenzt haltbar. So vergilben etwa alte Bücher, Fotos oder Akten, nicht aufgezeichnete menschliche oder tierische Stimmen sind bei Verstummen nicht eins zu eins wiederholbar usw.

Bit ist die Abkürzung von „binary digit“ und ist die kleinste elektronische Speichereinheit. Insofern beruht die gesamte digitale Informationsverarbeitung auf Bits. Sie werden in der Informations- und Nachrichtentechnik in unterschiedlichen Bedeutungen verwandt: Bit gilt zum ersten als Maßeinheit für den Informationsgehalt eines beliebigen nicht negativen Wertes, zweitens als Maßeinheit für die Datenmenge digital repräsentierter also gespeicherter und übertragener Daten und drittens als Bezeichnung für eine Stelle einer Binärzahl aus „0“ und „1“ bzw. wahr – falsch, ein – aus oder allgemeiner für eine bestimmte Stelle aus einer Gruppe binärer Stellen. Acht Bits ergeben zusammen ein Byte. Ein Byte ist die kleinste Datenmenge. Da jedes Bit zwei verschiedene Zustände annehmen kann, ergeben sich auch verschiedene Kombinationsmöglichkeiten, wenn man acht Bits zu einem Byte zusammenfasst Jede Kombination steht für eine bestimmte Zahl oder einen Buchstaben. Bytes lassen sich wiederum in höhere Einheiten umrechnen. Mit Bytes werden in der Computertechnik in der Regel die Speicherkapazitäten angegeben

Digitale Signale können auch über große Entfernungen bei stets gleichbleibender Qualität schnell transportiert werden. Sie können an Computern bearbeitet und auf Festplatten gespeichert werden. Auch alle analogen Signale lassen sich mit Hilfe digitaler sichern. Während analoge Signale eine kontinuierliche, stufenlose Kurve darstellen werden digitale Signale dagegen „abgehackt“ oder in „Bündeln“ verschickt. Digitale Signale können deshalb ausgewählt sein und haben in diesen Fällen nicht die Vollständigkeit der analogen, sie können also verlustbehaftet sein. Der Verlust kann oft mit den menschlichen Sinnesorganen nicht oder fast nicht wahrgenommen werden. Auffällig ist das Defizit etwa im Konzertsaal. Hier sind die Töne harmonischer und klangvoller als die einer Datei auf einem MP-3 Player.

Aus dem Beschriebenen wird deutlich, dass die Digitalisierung eine elektronische Infrastruktur zur Voraussetzung hat. Diese umfasst alle technischen Grundeinrichtungen zum Erzeugen, Verarbeiten, Verbreiten und Abrufen von digitalen Informationen. Die Basis für die Verbreitung digitaler Daten im Internet – also von Bytes – ist die öffentliche digitale Infrastruktur und damit die Telekommunikation. Das analoge oder digitale Telefonnetz wurde deshalb seit den 1990er Jahren durch Glasfaser- und Mobilfunknetze erweitert. In Abhängigkeit von der bereits vorhandenen Infrastruktur nutzt man für den gleichen Zweck gegenwärtig auch die zunächst ausschließlich für die Übertragung von TV- und Hörfunksignalen konzipierten Kabelnetze als Infrastruktureinheiten. Schließlich werden auch die Stromversorgungsnetze um digitale Komponenten erweitert. Die Koppelung mit einem digitalen Informationsmanagement dient hier primär der effizienten Gestaltung der Energieversorgung.

Die traditionellen Volkswirtschaften haben die Straßen- und Schienennetze ausgebaut, um sie dem stets wachsenden Individualverkehr und dem zunehmenden Güter- und Warentransport anzupassen. Infolge der zunehmenden Daten bzw. Informationen, die in allen Bereichen der gegenwärtigen Gesellschaft erzeugt und abgerufen werden, besteht deshalb in allen Ländern ein ständiger Bedarf an einem stetigen Ausbau bzw. einer Erweiterung der breitbandigen digitalen Infrastruktur. Neben der reinen Verkabelung bzw. dem Ausbau der Mobilfunknetze zählen hierzu auch die Bereitstellung von Internetaustauschknoten, diverse Einwahltechnologien und Rechenzentrumsdienstleistungen einschließlich der hierfür notwendigen Hardware, wie zum Beispiel Switches. Dabei handelt es sich um Kopplungselemente, die verschiedene Netzwerksegmente miteinander verbinden.

Der Zugang zu den Netzen erfolgt von Seiten der Hardware über Wandler. Früher nutzte man Modems, heute in der Regel Receiver und Router. Sie sind notwendig für den Zugriff zum digitalen Netzwerk, d. h. zum Anbieten und Anwenden digitaler Informationsdienstleistungen. Auf Seiten der Software regeln verschiedene Protokolle den Zugriff in die digitalen Netzwerke. Dazu zählen etwa Server. Hinter diesem Begriff verbergen sich zwei Bedeutungen: Als Software handelt es sich hier um Computerprogramme. Sie stellen Daten, Dienstprogramme, Datenbanken und andere Informationen zur Verfügung, auf die wiederum andere Computer oder Programme (Clients) in der Regel über ein Netzwerk zugreifen können. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom Client-Server-Modell. Hardwareseitig meint der Begriff einen Hostrechner, auf dem etwa in Rechenzentren meist mehre Server (Software) laufen. Daten, die nicht (nur) auf dem eigenen Rechner gespeichert werden sollen oder können, etwa um es mehreren Nutzern zu ermöglichen, sie zu bearbeiten, in der Cloud gespeichert werden. Unter diesem Begriff fasst man die Bereitstellung von IT-Infrastrukturen. Dazu zählen etwa Speicherplätze, Rechenleistungen, Anwendungssoftware und andere Dienstleistungen über das Internet.

In der analogen Welt ist die Postanschrift entscheidend, um einen Empfänger eindeutig zu identifizieren. In Computernetzen nutzt man IP-Adressen (IP -Internetprotokoll). Sie werden allen Geräten zugewiesen, die an das Netz angebunden sind. Auf diese Weise können Daten vom Absender an den Empfänger eindeutig adressiert. Wie bei Postadressen bezeichnen auch IP-Adressen – das sind Zahlenkombinationen – von Einzelpersonen oder Gruppen von Empfänger Im letzteren Fall spricht man auch von Broadcast oder Multicast. Im Unterschied zur traditionellen, immer an einen bestimmten Ort gebundenen Postanschrift, ist die Ortsgebundenheit bei IP-Adressen aufgehoben. In der Vergangenheit diente das Telefonbuch oder die Auskunft von Telekommunikationsdienstleistern zum Auffinden von Telefonnummern gewünschter Personen, Unternehmen oder Institutionen. Im Internet übernimmt diese Aufgabe das Domain-Name-System. Man gibt die gesuchte Person oder Institution im Computer ein und erhält mit Hilfe des DNS in die entsprechende IP-Adresse umgewandelt wiederum in den eingegebenen Namen. Jede Domain ist nach dem Punkt mit einer Top-Level-Domain versehen (.de; .com usw.). Diese höchste Ebene der Namensauflösung dient wie das DNS einer eindeutigen IP-Adresse Zuordnung. Die jeweilige Registrierungsstelle legt dabei einen Datenbank-Eintrag über den Inhaber an. Wie beim Telefonbuch kann auch mit ihrer Hilfe die gesuchte Domain abgerufen werden.

Aus der analogen Welt kennen wir seit Jahrzehnten eine Reihe von Institutionen wie Polizei. Ordnungsämter, Gerichte usw., die alle für die Sicherheit und den reibungslosen Betrieb der Infrastrukturen sorgen. In der sich ständig weiterentwickelnden digitalen Welt übernehmen viele dieser Aufgaben die sich ständig verbessernde Programme zur Netzwerksicherheit. Sie sorgen für das notwendige Vertrauen in die im weitesten Sinn digitale Kommunikation als eine Grundvoraussetzung für deren Funktionsfähigkeit und deren weiteren Ausbau. Aus ökonomischer Perspektive kann von der Netzwerksicherheit auch von einer Economy of Trust gesprochen werden. Digitalisierung, auch das wurde schon deutlich, ist kein abgeschlossener Prozess, sondern unterliegt einer permanenten Weiterentwicklung der Schlüsseltechnologien. Insofern sind auch diese ein signifikanter Bestandteil der digitalen Infrastruktur.

Die grundlegenden Bestandteile der digitalen Infrastruktur sind demnach:

  1. Das Telefonnetz, Glasfaser- und andere Netzwerke und Leitungen
  2. Server, Router, Switches und weitere Hardware
  3. Rechenzentren, Hostings und Cloudservices
  4. Öffentliches Internet (WLAN)
  5. IP-Adressen und das Domain-Name-System (DNS)
  6. Top-Level-Domains
  7. Netzwerksicherheit, Schlüsseltechnologie