Interne Unternehmens- kommunikation im digitalen Zeitalter

Prof. Dr. Wolfgang Mühl-Benninghaus

…ist mehr als ein Schwarzes Brett

Aus der veränderten externen Unternehmenskommunikation resultieren zwangsläufig notwendige Umformungen der internen. Diesen Gesamtprozess verstärken der Übergang zur Industrie 4.0 und nicht zuletzt die der Digitalisierung geschuldeten permanenten Veränderungen der Märkte durch veränderte Kundenwünsche bzw. -ansprüche sowie zunehmende Regulierungen seitens des Governments. Letztere reagieren ihrerseits auf die zunehmenden Anliegen der verschiedenen gesellschaftlichen Anspruchsgruppen. Im Unterschied zur Vergangenheit haben zunehmend komplexere und zugleich nicht-linear verlaufende Systeme erhebliche Auswirkungen auf die Arbeitsabläufe. Die etwa innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums eingesetzte Umbewertung von Autoantrieben, der innerhalb weniger Jahre erfolgte Niedergang der traditionellen Rohfilmindustrie oder die Umverteilung der Werbeausgaben von den klassischen Medien in das Internet sind nur drei der weltweit bekanntesten Beispiele für diese Prozesse. Sie könnten beliebig ergänzt werden. In der Industriegesellschaft entstandene strategische und visionäre Methoden wie das Re-Engineering, die ihrerseits auf einer langfristigen Identifikation und inhaltlichen Analyse bestehender Prozesse basieren, sind wenig geeignet, der überall erkennbaren disruptiven Entwicklungen zu begegnen. Diese substanziellen Veränderungen beeinflussen zwangsläufig das Informationsmanagement unmittelbar.

Die signifikanten Wandlungen der Informationstechnologien haben zeitgleich auf Seiten der Mitarbeiter die Kommunikation sowohl im privaten als auch im Unternehmenskontext revolutioniert. Die neuen Möglichkeiten des Austauschs der Beschäftigten innerhalb und mit Kunden bzw. der Öffentlichkeit außerhalb des Unternehmens bedingen signifikante Rückwirkungen auf die Business to Employee Kommunikation. Die bisher auf externe Stakeholder konzentrierte Meinungs- und Kontaktpflege hat deshalb innerhalb des Unternehmens zu beginnen. Da neben dem fachlichen Know-how die Mitarbeiter mittels der verschiedenen Kommunikationsmittel die Grundsätze und Denkweisen, das Auftreten und Handeln des Unternehmens mitgestalten, beeinflussen sie zunehmend die Wertschätzung, die ihm von Kunden und den verschiedenen Öffentlichkeiten entgegengebracht wird. Kommunikation wird auch an dieser Stelle zu einem wichtigen Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb.

Die zentrale Aufgabe vom Leadership muss es deshalb sein, einen regelmäßigen und intensiven Dialog mit dem eigenen Personal zu führen, um dieses zu befähigen, Unternehmensentscheidungen gegebenenfalls mit zu beeinflussen aber auf jeden Fall mit zu tragen und sie zwanglos nach außen mit zu vertreten. Insofern beschränkt sich die kommunikative Einbindung nicht nur auf jene, die in unmittelbarem Kontakt mit Kunden stehen, sondern auf die gesamte Belegschaft. Die interne Kommunikation bildet also erstens die Basis für die nach außen. Zum zweiten steigt das Engagement für das Unternehmen mit dem Grad der Identifikation und Zufriedenheit seitens der Mitarbeiter. Beide werden positiv beeinflusst durch deren aktive Einbeziehung in Entscheidungsfindungen und ihnen gegebene Möglichkeiten, interne Prozesse aktiv mitzugestalten. Dieser Sachverhalt hat wiederum unmittelbar positive Rückwirkungen auf die Produktivität und damit die Wertschöpfung. Er hilft, Widerstände zu überwinden und neue Aktivitäten auszulösen. Interne Kommunikation wird auf diese Weise ein Teil des Ideenmanagements.

Kommunikation ist niemals eine Einbahnstraße, sondern auf einen echten Dialog ausgerichtet. Wer Kritik und Verbesserungsvorschläge ebenso ernst nimmt und auch auf andere Fragen und Probleme mit einem wertschätzenden Feedback reagiert, beugt möglichen unwahren Gerüchte beispielsweise über anstehende Entlassungen vor. Sie hätten ansonsten eine hohe Wahrscheinlichkeit, auf die Stimmungslage und damit die Produktivität des Unternehmens negativ durchzuschlagen. Im Gegensatz dazu bietet eine offene Kommunikation ein festes Fundament, um auf unvorhergesehene Veränderungen der Märkte als Unternehmen gemeinsam reagieren zu können. Das Verständnis für die jeweils momentane Unternehmensstrategie und deren Umsetzung ist demnach eine entscheidende Voraussetzung für den unternehmerischen Erfolg.

Wie für die externe so stehen Unternehmen auch für die interne Kommunikation neben der ständigen unverzichtbaren face-to-face Kommunikation ausreichende auch von technischen Möglichkeiten zur Verfügung, um nicht nur den Verlautbarungscharakter der bisherigen Schwarzen Bretter endgültig zu beseitigen, sondern auch um den Wissensaustausch zu befördern. Zum einen befördert das Web den Informationsaustausch und vereinfacht die Aneignung von Wissen erheblich. Zum zweiten stehen für die interne Kommunikation inzwischen eine Vielzahl von Möglichkeiten etwa in Form von Applikationen oder in Form des Intranets zur Verfügung, die es ohne vermehrten Kosten- oder Organisationsaufwand ermöglichen, den Angehörigen im Unternehmen Informationen zur Verfügung zu stellen. Mittels eines entsprechenden Content Managementprogramm sind für alle Beteiligten die jeweils interessierenden Inhalte von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Stellenausschreibung bis zur Produktpreisliste oder einem Trainingsprogramm leicht auffindbar. Zum dritten sind mittels der Zugriffsrechte auch persönliche Ansprachen möglich.

Für das Unternehmen haben derartige Portale darüber hinaus den Vorteil, dass etwa die Arbeitszeiterfassung, Leistungsbeurteilungen, Mitarbeiterentwicklungen sowie weitere Inhalte auf dem Portal eingestellt und archiviert werden können. Sie stehen damit unter Einhaltung des Datenschutzes den jeweils Verantwortlichen permanent zur Verfügung, ohne dass zusätzliche Kosten anfallen. Damit entfällt nicht nur die Hauspost, sondern diese Portale stärken auch das Verantwortungsbewusstsein der Mitarbeiter, indem sie sich wichtiges Firmenwissen selbstständig aneignen. Das Employee Self Service entlastet schließlich die Verwaltung von Routineaufgaben wie die Erfassung von Arbeitszeitkonten, die Abwicklung von Urlaubsanträgen oder Reisekostenabrechnungen usw., weil diese von den Mitarbeitenden selbst digital bearbeitet werden.   

Über den Rückkanal sind schließlich die Inhalte kommentier- bzw. diskutierbar, so dass das Portal durch die Möglichkeit des Feedbacks zu einem Dialogmedium wird. Im Unterschied zum Schwarzen Brett, das stets ein reines Push-Medium war, werden unternehmensinterne Inhalte mittels der entsprechenden Portale oder Applikationen durch ein Pull-Medium vermittelt. Dieser Übergang korrespondiert mit einer Vielzahl ähnlicher Entwicklungen im Alltag der Beschäftigten. Erinnert sei in diesem Zusammenhang etwa an die veränderte Medienrezeption, die sich zunehmend ins Netz verlagert oder neuere Marketingformen wie etwa das der Influencer. Das Schwarze Brett war Ausdruck der in der Industriegesellschaft in vielen Bereichen des Lebens vorherrschenden Push-Kommunikation. Heute ermöglichen digitalen auf Dialog ausgerichtete Kommunikationstechniken den Unternehmen Kommunikationspraktiken, die die Mitarbeiter in ihrem Alltag längst eingeübt haben und an die sie bereits gewohnt sind. Insofern ist ein Beibehalten der überkommenen Push-Kommunikation im Unternehmen asynchron und mit negativen Auswirkungen auf die Effizienz, die Förderung der Selbstverantwortung und die Kreativität der Mitarbeiter verbunden. 

Natürlich sind die hier entwickelten Zusammenhänge kein Automatismus, sondern im hohen Maße anhängig von der Qualität der Unternehmenskultur. Darüber hinaus ist die Einführung von Business to Employee Lösungen ein dynamischer Prozess der für Unternehmen mit offenen und transparenten Strukturen einfacher, weil ohne Reibungsverluste umzusetzen ist. Dialogorientierte Unternehmenskommunikation in ihrem Zusammenspiel von face-to-face Kommunikation und Portalen der jeweiligen Institution ist die positive, immer wieder herausfordernde Antwort auf die gegenwärtigen, überall erkennbaren kommunikativen Wandlungsprozesse.