Unternehmenskommunikation im digitalen Zeitalter

Prof. Dr. Wolfgang Mühl-Benninghaus

Unternehmen sind als Teil Bestanteile von Gesellschaft immer auch Kommunikationsobjekte. Bereits aus ihrer Existenz ergibt sich, dass und wie sie extern und intern wahrgenommen und bewertet werden. Beide Aspekte haben Einfluss auf unternehmenspolitische Handlungsoptionen im Allgemeinen und im Konkreten. Fremdwahrnehmungen beeinflussen also wesentlich die soziale Akzeptanz des jeweiligen Unternehmens und sind Ausdruck von dessen Eingebundenheit in ein festes kommunikatives Umfeld. Dieses wird wiederum von den jeweils individuellen Dispositionen geprägt, die zu kollektiven Meinungsbildern verschmelzen, die ihrerseits verhaltensleitenden Charakter haben können. Auf jeden Fall wirken sie auf die Rahmenbedingungen und damit die Effizienz des jeweiligen Unternehmens zurück.

Unternehmen sind immer auch Kommunikationssubjekte, die ihrerseits mit den unterschiedlichen Anspruchsgruppen kommunizieren. Unternehmenskommunikation auch als Corporate Communication bezeichnet ist demnach ein strategisches Aktionsinstrumentarium, um Erfolgspotenziale bei allen relevanten Umweltpartnern und bei den Mitarbeitern aufzubauen, voll auszuschöpfen und langfristig zu sichern. Sie übersetzt die Identität von Unternehmen in Kommunikation und bildetet das strategische Dach für die unterschiedlichen Kommunikationsaktivitäten nach innen und nach außen. 

Die externe Unternehmenskommunikation integriert drei Ebenen: Die leistungsbezogene Kommunikation beinhaltet die Abstimmungsprozesse zwischen Zulieferbetrieben, Abnehmern und Wettbewerbern. Die imagebezogene Kommunikation umfasst die Öffentlichkeitsarbeit oder Public Relations. Sie zielt auf die Integration des Unternehmens in das gesellschaftspolitische Umfeld. Die kontextbezogene Kommunikation versucht Einfluss auf relevante gesellschaftliche wie organisationsinterne Sachverhalte zu nehmen. Integrierte Kommunikation zielt generell auf Veränderung von Meinungen, Einstellungen, Erwartungen sowie Verhaltensweisen, um  übergeordnete Unternehmensziele wie Absatz-; Umsatz- und Gewinnsteigerung zu erreichen.

Bereits am Ende der 1960er Jahre erwarteten Teile der Öffentlichkeit von den Unternehmen, auf ihre Ansprüche und nicht nur auf die von Kunden und Partner einzugehen. Im Zuge der Forderungen nach Corporate Social Responsiveness beispielsweise im Umwelt- und Arbeitsschutz wurden vier untrennbare Ebenen unternehmerischer Verantwortung erkennbar: die ökonomische, die rechtliche, die ethische und die philanthropische. An diesen gesellschaftlichen Ansprüchen hat sich bis heute grundsätzlich nichts geändert. Die Gegenwart ist zudem gekennzeichnet durch eine zunehmende staatliche Regulierung, einen wachsenden Wettbewerbsdrucks, wiederkehrende Markturbolenzen und die sich dynamisch entwickelnden Technologien. Begleitet werden diese Prozesse durch den sich vollziehenden sozialen Wertewandel, eine deutlich erkennbare Singularisierung in den Lebensentwürfen und die Globalisierung. Die Gesamtheit dieser Entwicklungen erhöht die Zahl der Anspruchsgruppen und die damit verbundenen Erwartungen deutlich. Infolge dessen und der gleichzeitig steigenden Zahl medialer Verbreitungsmöglichkeiten nahmen seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts die externen und internen kommunikativen Ansprüche an das Management erheblich zu.

Vor diesem Hintergrund gaben 2011 laut European Communication Monitor mehr als 90 % der Kommunikationsverantwortlichen von Unternehmen an, dass der Verknüpfung von Unternehmensstrategie und Kommunikation eine zentrale Rolle zukommt. Nur dem Umgang mit der digitalen Technik wiesen sie eine noch höhere Priorität zu. Laut dem gleichen Monitoring im Jahr 2020 halten vier von fünf Befragte in Europa eine verbesserte professionelle kommunikative Kompetenz von Unternehmen und anderer Einrichtungen in ihrem Land für notwendig. In Deutschland sind es 93,4 Prozent der Befragten. Der gleiche Personenkreis schätzt die kommunikative Kompetenz (93 %) höher als die Führungs- (84,6 %), die geschäftliche (70,4 %) oder die technische Kompetenz (68,5) ein. 41,2 Prozent meinen schließlich, dass der Aufbau von Vertrauen die höchste Relevanz für den Aufbau von Unternehmensstrategien hat. Kommunikation – also ein immaterieller Vermögenswert – ist demnach ein existenzieller Faktor für den Unternehmenswert und damit von essenzieller Bedeutung für ein wertorientiertes Management.

Die wenigen Zahlen verdeutlichen zweierlei: Neben den klassischen messbaren Faktoren für die Unternehmenskonsistenz wie etwa die Zahlungsströme oder die KPIs fließen zunehmend weitere Elemente wie die interne Kommunikation also beispielsweise die Mitarbeitermotivation, Innovationspotential, das Mitarbeiter-Knowhow oder die Kommunikation zwischen der Führungsebene und den Mitarbeitern ebenso in die Unternehmensbewertung ein wie die externen kommunikativen Bewertungen des Unternehmens seitens der unterschiedlichen Stakeholder wie Kunden, Politik, der unterschiedlichen Öffentlichkeiten und nicht zuletzt auch der Shareholder.

Zum zweiten zeigt die herausgehobene Bedeutung der Unternehmenskommunikation, dass Deutschland eine Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft geworden ist, die auf globalen Märkten agiert. Die Folgen sind ein Überangebot nicht nur an Konsum- sondern auch an Investitionsgütern, Roh-, Hilfs oder Betriebsstoffen. Unter diesen Bedingungen ist eine von allen Stakeholdern akzeptierte Unternehmenskommunikation ein entscheidender Wettbewerbsvorteil mit entsprechenden Rückwirkungen auf die jeweiligen Management- und Businesskonzepte.

Der zurückliegende Übergang von der Industriegesellschaft zur Netzwerk- bzw. Informationsgesellschaft impliziert also, dass die materiellen Güter ihre ehemals herausgehobene Bedeutung verloren haben. Stattdessen wurde unter den sich wandelnden Verhältnissen der Grad an Aufmerksamkeit für die Unternehmensinhalte und Angebote zu einer wesentlichen Erfolgsgröße. Schon in der Industriegesellschaft kamen Medienbeziehungen im Netzwerk der Unternehmenskommunikation mit seinen Anspruchsgruppen eine wichtige Rolle zu. Denn Medien bilden seit jeher Plattformen für Beziehungsnetzwerke unterschiedlicher Kommunikationsräume, die weit über die Kapital-, Arbeits- und Gütermärkte hinausreichen. In der Vergangenheit waren es die Print- und die elektronischen Medien, die über Ereignisse berichteten. Dort nicht aufgegriffene Themen, existierten defacto in der Öffentlichkeit nicht oder verbreiteten sich nur allmählich in einem relativ kleinen Umfeld. Gleichzeitig waren und sind die Inhalte in Presse, Radio und Fernsehen durch die Zeit bzw. den zur Verfügung stehenden Platz beschränkt. Die Inhalte selbst sind durch eine vertikale Zusammenfassung von Ereignissen und Meinungen gekennzeichnet. Sie beeinflusst, wenn überhaupt, neben den Shareholdern möglicherweise Einstellungen öffentlicher Gruppen wie Parteien, Gewerkschaften, NGOs usw. Unabhängig davon wendet sich das Unternehmensmarketing bzw. die Werbung primär an die Kunden. Alle übrigen Beteiligten, wie etwa die Mitarbeiter oder die Lieferanten bleiben von dieser Berichterstattung, die sich thematisch primär an Groß- und lokalen Unternehmen orientiert, in der Regel unberücksichtigt. Allen journalistischen Inhalten ist gemein, dass sie nach eigenen Selektionsmechanismen gestalten und bewerten. Diese werden wiederum durch Netzwerke bestimmt, in denen sich die Journalisten aufhalten und an den Zielgruppen, die ihre Produkte rezipieren. 

Im Zuge der Digitalisierung ergänzt diese überlieferte vertikale Kommunikationskultur eine horizontale, d.h. vor allem die Social Media Plattformen. Mit deren zunehmender Nutzung verloren die bisherigen Leitmedien ihre ehemalige Bedeutung. Diese neuen Kommunikationsmittel unterscheiden sich in mehreren Punkten von den überkommenen Angeboten. Zum ersten entfallen alle bestehenden Begrenzungen im Hinblick auf Platz und Zeit. Zum zweiten unterliegen die inhaltlichen Bewertungen keiner übergeordneten Instanz. Drittens sind die Inhalte vielfach zeitlich unbegrenzt verfügbar. Viertens können diverse meist personalisierte Perspektiven auf ein und denselben Gegenstand oder Sachverhalt entstehen. Fünftens findet die Kommunikation auf Augenhöhe statt.

Meinungsbildung im und vom Unternehmen erfolgt mittels digitaler Medien bzw. Plattformen und damit direkter, dezentraler und situativer. Die unternehmerische Verantwortung, nachhaltige, zukunftssichere Strategien zu entwickeln, ist damit an die Fähigkeit des Managements gebunden, dass in der Lage ist, die unterschiedlichen, in gleicher Weise relevanten Interessenlagen interner und externer Stakeholder in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zu moderieren und die notwendige Aufmerksamkeit zu erzeugen. Dieser Prozess ist auf Dauer angelegt und verlangt ein hohes Maß an Offenheit und Transparenz.

Die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens wird also entscheidend von seiner kommunikativen Leistungsfähigkeit bestimmt. Diese ist als operative Dimension der Unternehmenspolitik permanent in Hinblick auf ein weitgehendes widerspruchsfreies Unternehmensprofil durch das Management zu optimieren. Die relevanten Meinungsmärkte gliedern sich in fünf Bereiche: Den politischen Meinungsmarkt also die politische Akzeptanz, den Kapitalmarkt also die ökonomische Akzeptanz, den öffentlichen Meinungsmarkt also die öffentliche Akzeptanz, den Personalmarkt also die soziale Akzeptanz und nicht zuletzt den Absatzmarkt also die Markt- und Leistungsakzeptanz. Da Akzeptanz die Voraussetzung für Vertrauensbildung ist, bedeutet Führung bedeutet unter diesem Aspekt die permanente Beobachtung und Analyse der Meinungsmärkte sowie die zielgerichtete Vermittlung von Bekanntheit und Profil, um Vertrauenswürdigkeit des Unternehmens in der gewünschten Richtung zu lenken.